200-Euro-Schein mit Paul Ehrlich
© buyman / fotolia.com

Welch ein Name

"EHRLICH FÄRBT AM LÄNGSTEN"

Es gibt ein Foto von ihm, auf dem er inmitten von Papierbergen in seinem Arbeitszimmer sitzt. Paul Ehrlich, der „Erfinder“ der Chemotherapie, hatte ein schier unendliches Arbeitspensum.

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Er war so fleißig, dieser letzte große Universalmediziner, dass es dicke Bücher bräuchte, um sein Lebenswerk angemessen darzustellen. Ehrlich erfand neue Verfahren der Mikroskopie, entwickelte neue Färbemethoden mittels Methylenblau, stellte mit Emil von Behring zusammen das erste Diphterieserum her und brachte das erste wirksame Medikament gegen Syphilis auf den Markt.

Drückende Last 1854 wird der kleine Paul im schlesischen Strehlen geboren. Sein Vater Ismar ist nicht nur ein vermögender Likörfabrikant sondern auch Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Trotzdem gibt er dem Zweitgeborenen einen christlichen Namen. Der Sohn besucht nach der Volksschule das Gymnasium in Breslau, bezeichnet seine Schulzeit später als „drückende Last“. Ehrlich studiert Medizin, wird 1878 promoviert. Schon damals ist er schier unermüdlich und seine Kommilitonen witzeln über den fleißigen Laboranten: „Ehrlich färbt am längsten“. Als Ehrlich 1882 nachweisen kann, dass die von Robert Koch entdeckten Tuberkelbazillen säurefest sind, ist dies ein erster Hinweis darauf, dass er später in einer Reihe mit den Begründern der modernen Medizin stehen wird: Koch und Pasteur, von Behring und er geben der Serologie, Immunologie und Physiologie die entscheidenden Impulse für die Neuzeit.

Reicher Schwiegervater Doch zunächst einmal steht für Paul Ehrlich privates Glück an: In der jüdischen Synagoge zu Neustadt heiratet er 1883 Hedwig Pinkus, die Tochter eines begüterten Stofffabrikanten. Dass der Schwiegervater steinreich ist, soll für Ehrlichs weiteres Leben nicht ganz unerheblich sein: Der fleißige Mediziner braucht sich fortan niemals mehr Sorgen um sein finanzielles Auskommen machen. Joseph Pinkus richtet ihm später ein eigenes Labor ein und hilft ihm, auch Zeiten der Arbeitslosigkeit unbeschadet zu überstehen. Doch bevor er sich ganz seinen Reagenzgläsern widmen kann, erwischt Paul Ehrlich die Tuberkulose. Fünf Jahre nach der Hochzeit muss der Forscher deshalb einige Monate im heißen, trockenen Klima Ägyptens verbringen, gilt hinterher als geheilt. Dass er sich Jahre später mit der Erprobung von Robert Kochs „Tuberkulin“ einen Rückfall holen wird, weiß er gottlob noch nicht.

Freundschaft mit Robert Koch Denn die Begegnung mit Robert Koch soll zu einer lebenslangen Freundschaft zwischen den beiden Medizinern führen. Mit Emil von Behring verkracht er sich: Verständlich, denn der Marburger Institutsleiter proklamiert die Entdeckung des Diphterieserums allein für sich. Louis Pasteur gilt als schwierig und reizbar; Ehrlich hält Abstand. Robert Koch jedoch nimmt den jungen Forscher unter seine Fittiche, nachdem dieser seine Färbemethode am Tuberkulose- Erreger verbessert hatte. Er überträgt ihm eine Tuberkulosestation am Krankenhaus Moabit, holt ihn später an das neu gegründete Institut für Infektionskrankheiten. Ehrlich vergilt es ihm mit Dankbarkeit: Im „Tuberkulin- Skandal“ (das von Koch entwickelte Therapeutikum erweist sich als unwirksam) hält er fest zu seinem Mentor. Ehrlichs medizinische Leistungen sind vielfältig. Bereits in seiner Dissertation widmet er sich der Verbesserung von Färbemethoden unter dem Mikroskop. Dabei entdeckt der junge Wissenschaftler die von ihm so getaufte „Mastzelle“. Spätere Verbesserungen beim Mikroskopieren lassen ihn Leukozyten und Lymphozyten unterscheiden; er schafft mit der Untersuchung der weißen Blutkörperchen die Systematik der Leukämie. Ehrlichs Besessenheit für Färbemethoden ermöglicht es nun, Typhuszellen genau zu klassifizieren. Die dafür notwendige Chemikalie heißt noch heute „Ehrlichs Reagenz“.

PAUL EHRLICH
… wurde am 14 .März 1854 in Strehlen (Schlesien) geboren und starb 1915 in Bad Homburg. Er gilt als wegweisender Forscher der Immunologie und Serologie, erhielt dafür 1908 den Medizin-Nobelpreis. Ehrlich war in Berlin an der Charité und der Universität tätig, er lehrte und forschte außerdem in Frankfurt, Göttingen und Marburg. Als er starb, kondolierte der Kaiser. Trotz seiner Leistungen mussten seine Witwe und die Tochter später während des Nationalsozialismus emigrieren: Der Wissenschaftler und seine Familie waren jüdischen Glaubens.

Schwerer Stand Unter den Kollegen hatte der Mann es schwer. Wie schon andere Forscher vor ihm, war er seiner Zeit voraus; Kollegen, die nicht verstanden, dass er ihren Horizont längst überschritten hatte, belegten ihn zunächst mit Hohn und Spott. Von Emil Behring wurde der nicht besonders durchsetzungsfähige Ehrlich gnadenlos benutzt; das Diphterie-Serum schrieb sich der Marburger ganz allein aufs Konto und Ehrlich brach daraufhin den Kontakt ab. Seine Leidenschaft für Laborarbeit erbrachte viele bahnbrechende Neuerungen. Ehrlich entdeckte den „Rezeptor“ an der Zellwand, was Auswirkungen auf die entstehende Fachrichtung der Immunologie hatte; er erkannte, dass Tumorzellen über Generationen hinweg immer bösartiger werden. Ehrlich wies nach, dass Antikörper über die Muttermilch übertragen werden und er erarbeitete einen Standard für die Herstellung von Impfsera. Seine „Seitenkettentheorie“ stellte erstmals einen Zusammenhang zwischen Antigen und Antikörper her. Er erhielt dafür 1903 die preußische Wissenschaftsmedaille, 1908 mit Ilja Metschnikow zusammen den Nobelpreis für Medizin.

Heilung der Syphilis Eine von Ehrlichs berühmtesten Entdeckungen ist das Heilmittel „Salvarsan“ (1909). Dieses erste Chemotherapeutikum wirkte gegen die „Lustseuche“ Syphilis, die über Geschlechtsverkehr übertragen wird und unbehandelt zu einer Zerstörung des zentralen Nervensystems führen kann. Die Arsenverbindung Arsphenamin, so entdeckte Paul Ehrlich zusammen mit seinem Assistenten Sahachiro Hata, ließ die Erreger der Syphilis absterben. Ehrlich eliminierte mit diesem Mittel eine jahrzehntelange Geißel; Salvarsan und das nachfolgende Neosalvarsan wurden zum Kassenschlager. Doch Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Ehrlich fördere die moralische Enthemmung, warfen ihm manche vor. Das Serum hatte heftige Nebenwirkungen und bei der klinischen Prüfung war es zu Todesfällen gekommen, was noch 1914 zu einer Debatte im Deutschen Reichstag führte. Und doch hatte Ehrlich mit Salvarsan einen Markstein auf dem Weg der Chemotherapie gesetzt. Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen hieß bis 2009 Bundesamt für Sera und Impfstoffe, wird nun als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneistoffe geführt. Der verschrobene Forscher starb übrigens 1915 nicht an einer der von ihm erforschten Infektionskrankheiten, sondern an den Folgen seines übermäßigen Zigarrenkonsums: Er erlag 61-jährig in Bad Homburg einem Herzinfarkt. Zeit seines Lebens hatte er die Angewohnheit, seine Einfälle sofort zu notieren, wenn es sein musste, auch einmal auf dem Kragen eines Oberhemdes. Und er besaß immer einen Dackel. Der hatte auch immer den gleichen Namen: starb einer, wurde er durch einen neuen „Männe“ ersetzt. 

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/17 ab Seite 68.

Alexandra Regner, PTA, Journalistin und Redaktion

×